Am besten gehen Sie schrittweise vor:
1. Schritt: Gibt es bei Ihnen im Betrieb eine betriebliche Regelung zu Dienstreisezeiten? Sie wird oft Dienstreiseregelung, Reiserichtlinie, Reisekostenrichtlinie oder ähnlich genannt. Falls ja, so haben Sie diese auch bei Reisen in Ihrer Funktion als Betriebsrat zu beachten. Das folgt aus dem Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG. Danach dürfen Betriebsräte aufgrund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit weder schlechter noch besser gestellt werden als die anderen Arbeitnehmer des Betriebs.
2. Schritt: Gibt es keine derartige Regelung zu Dienstreisen in Ihrem Betrieb, dann ist zwischen den Reisezeiten innerhalb und außerhalb Ihrer üblichen persönlichen Arbeitszeit unterscheiden:
- Liegt die Reisezeit innerhalb Ihrer üblichen persönlichen Arbeitszeit, dann sind Sie nach § 37 Abs. 2 BetrVG ohne Minderung des Arbeitsentgelts von der beruflichen Tätigkeit frei zu stellen. Dabei bezieht sich die übliche persönliche Arbeitszeit auf den zeitlichen Rahmen, der durch Ihren Arbeitsvertrag, Ihren Betrieb bzw. Ihre Abteilung vorgegeben wird. ,kurz gesagt den zeitlichen Rahmen, in dem Sie Ihre Arbeit zu erbringen haben (z.B. fester Arbeitsbeginn/festes Arbeitszeitende oder Gleitzeitrahmen).
Beispiel 1 feste Arbeitszeiten: Sie haben eine tägliche feste Arbeitszeit von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Reisen Sie nun von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr an, dann liegt die Reisezeit problemlos innerhalb Ihrer persönlichen Arbeitszeit.
Beispiel 2 Gleitzeit: Sie haben eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden, die Sie flexibel zwischen 06:00 Uhr morgens und 19:00 Uhr abends erbringen können(sog. Gleitzeitrahmen). Selbst wenn Sie persönlich immer zwischen 6:00 Uhr und 14:30 Uhr arbeiten, könnten Sie problemlos im kompletten Gleitzeitrahmen, also bis 19:00 Uhr anreisen - und die Reisezeit zählt als Ihre Arbeitszeit.
Erfahrungsgemäß reisen Betriebsratsmitglieder bei dem ifb-Seminarbeginn um 18:00 Uhr oder auch um 13:30 Uhr sehr häufig innerhalb Ihrer üblichen persönlichen Arbeitszeit an.
- Liegt die Reisezeit außerhalb Ihrer üblichen persönlichen Arbeitszeit, also nach Feierabend (Achtung: Bei Gleitzeit außerhalb des Gleitzeitrahmens) oder an arbeitsfreien Tagen (Sonn- und Feiertag etc.), dann haben Sie nach § 37 Abs. 6 S. 2 in Verbindung mit Abs. 3 BetrVG nur dann einen Anspruch auf Freizeitausgleich , wenn Ihre An- bzw. Abreise aus betriebsbedingten Gründen außerhalb Ihrer Arbeitszeit erfolgt.
Betriebsbedingte Gründe liegen dann vor, wenn der Arbeitgeber Einfluss darauf hat, dass die Reise nicht während der Arbeitszeit stattfindet; zum Beispiel entweder direkt auf Wunsch des Arbeitgebers (etwa die Bitte des Arbeitgebers, einen dringenden Auftrag noch zu erledigen und dafür etwas später anzureisen) oder wegen Besonderheiten in der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung (z.B. Schichtarbeit). Fehlt es an einem betriebsbedingten Grund, dann haben Sie auch keinen Ausgleichsanspruch.
Beispiel 1: Arbeiten Sie am Sonntag (oder am gesetzlichen Feiertag) normalerweise nicht, reisen aber an diesem Tag zum Seminar an, so haben Sie keinen Anspruch auf Freizeitausgleich für die Reisezeit. Denn die Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit ist nicht betriebsbedingt (nicht der Arbeitgeber hat darum gebeten), sondern der Betriebsrat selbst hat die Schulung (und damit mittelbar auch die Anreisezeit) beschlossen. Daher beginnen unsere Seminare nicht vor Montagmittag – so haben Sie die Möglichkeit am Montagvormittag (oder eben vor dem entsprechenden Seminarbeginn) anzureisen.
Beispiel 2: Ihre Arbeitszeit geht am Freitag nur bis 12:00 Uhr mittags. Sie starten Ihre Rückreise nach dem Seminar um 12:00 Uhr. Dann haben Sie für diese Reisezeit keinen Anspruch auf Freizeitausgleich. Denn die Rückreise erfolgt nicht aus betriebsbedingten Gründen außerhalb Ihrer Arbeitszeit, sondern weil das Seminar eben nicht früher geendet hat.
3. Schritt: Auch an Reisetagen ist – wie an (reinen) Schulungstagen der Freizeitausgleich auf die betriebs- bzw. abteilungsübliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers begrenzt. Daher gilt, wie bereits erwähnt: Falls die An- oder Abreise außerhalb dieser zu vergleichenden Arbeitszeit stattfindet, gibt es keinen Freizeitausgleich. Eine Ausnahme davon gilt bei Teilzeitbeschäftigung, siehe nächste Frage.
Tipp für die Praxis: Bei dieser komplexen Thematik empfiehlt es sich, mit dem Arbeitgeber eine klare Regelung zum Thema Reisezeit vor Ihren Seminarbesuchen zu treffen. Sie können natürlich Ihre Anreise so (vorver-)legen, dass Sie in jedem Fall während Ihrer Arbeitszeit anreisen. Verlangt Ihr Arbeitgeber daraufhin, dass Sie an diesem Tag noch arbeiten und erst in Ihrer Freizeit anreisen, dann haben Sie einen Anspruch auf Freizeitausgleich. Ihre Anreise erfolgt in diesem Fall dann auf Wunsch des Arbeitgebers in Ihrer Freizeit.
Rechtsprechung zur betrieblichen Reiserichtlinie: "Ein Betriebsratsmitglied kann nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG zum Ausgleich für Fahrtzeiten, die mit der Betriebsratstätigkeit im unmittelbaren Zusammenhang stehen, Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den im Betrieb des Arbeitgebers geltenden tarifvertraglichen oder betrieblichen Regelungen über die Durchführung von Dienstreisen beanspruchen."
(BAG vom 16. April 2003 - 7 AZR 423/01)
Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied außerhalb seiner Arbeitszeit im Zusammenhang mit betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben aufwendet, können einen Anspruch auf Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG mit Zuschlägen auslösen, wenn eine im Betrieb geltende tarifliche oder betriebliche Regelung über Dienstreisen die Bewertung von Reisezeiten der Arbeitnehmer als Arbeitszeit vorsieht.
"Für die Dauer des Freizeitausgleichs hat der Arbeitgeber nach dem Lohnausfallprinzip grundsätzlich die Vergütung zu zahlen, die dem Arbeitnehmer zustünde, wenn er keinen Freizeitausgleich erhalten, sondern gearbeitet hätte. Dazu gehören auch die in einem Tarifvertrag geregelten Zeitzuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit. Dies gilt ebenso für Vergütungsansprüche des Betriebsratsmitglieds, das für Reisezeiten im Zusammenhang mit Betriebsratstätigkeit Freizeitausgleich erhält."
(BAG vom 12. September 2009 - 7 AZR 218/08)